Mittwoch, 26. August 2009

The Psychological Tiger



„Ich werde also wiedergeboren?“
„Yes.“
„Als Tier!?“
„Yeah.“
„Schwere Frage…“

Ich gönne mir noch einen Schluck von meinem Bier, denke nach und mache noch einen Abschlag. Ein paar Sekunden später hört man in unmittelbarer Ferne Glas zerspringen.

Immer wenn Tiger Woods in der Stadt ist, komme ich mit ihm hier rauf. Großstadtgolf sollte zur olympischen Disziplin erklärt werden. Ich frage mich, ob unsere Hausmeisterin uns auch aufs Dach gelassen hätte, wenn wir ihr gesagt hätten, dass wir nicht wirklich Fotos vom Dom bei Nacht schießen wollen, sondern eher auf den Dom bei Nacht schießen wollen.
Ich nehme den letzten Schluck und hole weit aus:

„Im Grunde genommen gibt’s nur zwei gute Möglichkeiten: Entweder du wirst als Löwe wiedergeboren. Dann bist du sowieso der König aller Tiere, chillst in der Savanne rum und wenn du ab und zu mal Hunger hast, dann krallst du dir mal eben ne Gazelle oder n Zebra oder so was…“

„Okay, that makes sense, what is die other Möglichkeit?“, entgegnet er mit seinem charmanten, amerikanischen Akzent.

„…Naja, oder du wirst als Laborratte wiedergeboren.“

Tiger Woods verschluckt sich an seinem Bier und schaut mich fragend an. Ich grinse.

„Überleg‘ doch mal: Entweder du bist so ne Standard-Laborratte, dann wird irgendwas an dir getestet, funktioniert aber nicht und du stirbst daran. Dann kannst du ja immer noch im darauf folgenden Leben der König der Savanne werden. Oder aber an dir wird was getestet, das tatsächlich funktioniert… ein Mittel, das dir Flügel wachsen lässt oder so. Dann bist du die erste Ratte mit Flügeln und wirst zur absoluten Berühmtheit.“

Tiger Woods muss lachen, dann mache ich ihm Platz und übergebe ihm den Schläger.

„Like Dolly, das Klonschaf?“
„Ja genau, nur eben mit Flügeln, oder zwei Köpfen oder so. Ich mein klar, bist du nicht der König der Savanne, nicht der König der Tiere. Aber du bist was besonderes, was du machst ist einzigartig: Du bist die einzige fliegende Ratte!“

Woods schweigt einen Moment, dann schaut er konzentriert auf den Ball, anschließend wieder in die Ferne, wieder auf den Ball, die Ferne, macht schließlich seinen Abschlag.

Wir lauschen.

Ca. 650 Meter in Schlagrichtung entfernt explodiert ein Auto. Ich schaue beschämt zu Boden und der Champ freut sich über seinen Sieg.

Das ist jetzt das vierzehnte Mal, dass er mich hier besucht. Und ich habe noch nie gegen ihn gewonnen. Irgendwas stimmt mit meiner Technik nicht. Dabei müsste ich doch eigentlich Heimvorteil haben…

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