Donnerstag, 25. Februar 2010

Confessions of a long Youth | Pt. 1



Weil ich gerade erst 17 geworden bin und mein Führerschein somit noch ein Jahr auf sich warten lässt, bin ich bei den Fahrten von Herzfeld nach Lippborg zum Proberaum auf Artur und seinen Führerschein angewiesen. Ich weiß nicht mehr warum, aber an diesem späten Dienstagnachmittag, irgendwann im Sommer 2006, kann Artur nicht zur Probe kommen. Für mich heißt es also Fahrrad oder per Anhalter fahren. Und da es draußen herrlich warm ist und es von Herzfeld nach Lippborg nur ein paar Kilometer sind, fällt mir die Wahl nicht schwer.

Um halb fünf stehe ich also – Gitarre in der linken, Daumen raus an der rechten Hand – an der Hauptstraße und warte darauf, mitgenommen zu werden. Als ich eine halbe Stunde später (Ist nicht so schnell wie es sich anhört, wenn man bedenkt, dass man eigentlich nur die Hälfte der Zeit bräuchte. Aber manchmal ist das halt so beim trampen, man braucht länger fürs Warten als für die Fahrt an sich) im Proberaum ankomme, sind Andi und Aaron bereits da und schauen ungeduldig auf die Uhr. Ich bin froh, dass wir – anders als bei den Paper Queens – keine Regelung fürs Zuspätkommen haben. Probe Minute eine Liegestütze…

Nach der Probe geht’s zu Andi, eigentlich das damals übliche Sommerprogramm. Jeder einen Sitzsack, gemütlich gedämmtes Licht und dann geht der Shisha-Schlauch rum, während wir uns von Jack Johnson (alternativ auch Foo Fighters – In Your Honor CD 2) bedudeln lassen.

Aber da heute Dienstag ist, bleiben wir auf dem Weg nach oben bei der Restaurantküche hängen. Dienstags gibt es im Gasthaus Willenbrink Spare-Ribs bis zum Abwinken. Und nicht irgendwelche Spare-Ribs, nene, Andis Papa macht die besten verdammten Spare-Ribs der Welt. Wir haben Andi mal gefragt, wie sein Vater es schafft, dass sich das Fleisch so gut von den Knochen löst. Er hat uns erklärt, dass der Metzger die Schweine vor dem Schlachten einmal ordentlich verprügelt, um innen mal alles aufzulockern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Aaron das auch heute noch glaubt…

Also bleiben wir an diesem Dienstag Abend im Sommer 2006 unten in der Wirtschaft, lassen uns königliche Spare-Ribs servieren, genießen eisgekühlten Whiskey (sogar ohne Cola) und feiern uns selbst. Man könnte fast meinen, wir seien auf dem direkten Wege in die erwachsene Ernsthaftigkeit, wenn der Abend an diesem Punkt geendet hätte.

Vielleicht waren es zu viele von den köstlichen Rippchen, wahrscheinlich war es einfach zu viel Alkohol, jedenfalls beschließen wir, noch ein wenig frische Luft zu schnappen, anstatt endlich schlafen zu gehen.

Am frühen – sehr frühen – Morgen gibt es in Lippborg nicht viel zu sehen (zu irgendeiner anderen Tageszeit eigentlich auch nicht) und so ist uns nach kurzer Zeit langweilig…

…bis wir an diesem alten Mercedes vorbeikommen. 15 Jahre hat der mindestens schon hinter sich. Es ist zu dunkel um es zu erkennen, aber ich wette er ist oliv-grün. Oder kack-braun. So wie alle alten Autos hier in der Gegend. Als hätte es damals einen großen Farb-Super-GAU gegeben, in dem alle schönen bunten Autos in farbliche Tristesse getunkt werden mussten. Aber sein Stern, so schön, wie er glitzert. Wie er strahlt, in dieser tiefschwarzen Nacht… nach einem kräftigen Ruck ist sein Glanz erloschen. Ich stecke ihn in meine Tasche…

…am nächsten Morgen bin ich wieder auf dem Weg zur Hauptstraße. Die letzte Nacht hat erinnerungstechnisch gar nicht stattgefunden und mein Kopf fühlt sich entsprechend an. Ich strecke meinen Daumen aus und muss nicht lange warten.

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Es gibt im Wesentlichen zwei Gründe, weshalb ich diese Geschichte beichte: Zunächst einmal – für die Klugscheißer – ist der Mercedesstern das meistbestellte Ersatzteil der Welt. Zum einen könnte man jetzt sagen, dass dann einziger gar nicht weh tut. Ich für meinen Teil fühle mich schuldig, zu dieser Entwicklung beigetragen zu haben!

Der zweite Grund ist der schlimmere und auch der Grund für das frühe Ende der Geschichte: Der Wagen, der mich am nächsten Tag mitgenommen hat, war besagter Mercedes! Kein Scheiß! Die ganze Heimfahrt zu schildern, könnte eine weitere Kurzgeschichte füllen, daher mache ich es kurz:

Beim Einsteigen fühlte ich einen kleinen, metallischen Gegenstand in meiner Gesäßtasche. In diesem Moment fiel mir der gesamte vorige Abend wieder ein. Jeder einzelne Moment. Und mit welchem Genuss ich diesem Wagen seinen Anmut stahl.

Weiterhin möchte ich beichten, dass es mir Leid tut, den Fahrer auch noch auf den Verlust angesprochen zu haben, á la „Oh, ihr Stern fehlt ja.“, woraufhin er sich lauthals bei mir über diese „verdammten Drecks-Bauernkinder“ beschwert hat. Er hat mir erzählt, dass er erst vor kurzem hier hin gezogen ist, aus irgendeiner Großstadt. Dort hatte er nie Probleme mit dem Wagen, keine Stadtpunks, keine besoffenen Prolls, die seinem Wagen auch nur ein Haar krümmen wollten.

Lieber Mercedesfahrer: Es tut mir leid!