Dienstag, 17. November 2009

The Hardest Gang of Cologne



Ich renne. Bereits seit 10 Minuten laufe ich so schnell ich kann, doch sie sind noch immer hinter mir. Langsam merke ich, dass meine Ernährung der letzten Wochen, die hauptsächlich aus Tiefkühlpizza und China-Nudeln bestand, einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat: Meine Kondition lässt nach und ich bekomme Seitenstechen. Lange halte ich das nicht mehr durch. Jeder Kölner kennt den Ruf des Stadtteils Ossendorf. Doch was will man machen, wenn die letzte Bahn, die fährt, die Richtung Ossendorf ist und die Endstation nur ein paar Kilometer von Zuhause entfernt ist.

Jetzt bereue ich meine Entscheidung. Mein Atem, den ich bei der Eiseskälte sehen kann und wie einen grauen Schweif hinter mir her ziehe, wird immer schwerer. Meine Beine machen auch nicht mehr lange mit. Und grade als ich um die Ecke biege und mein Haus bereits in Sichtweite ist, passiert es: Ich werde von etwas hartem am Hinterkopf getroffen, gehe zu Boden und schreie auf.

Durch die Dunkelheit höre ich ein schrilles Lachen. Dann ein Husten. Ein Räuspern. Und schließlich wieder ein Lachen, aber diesmal etwas weniger schrill als beim ersten Mal. Der Kloß im Hals war ihm scheinbar unangenehm. Jetzt ist es still.

Ich liege im Lichtkegel der einzigen funktionierenden Straßenlaterne vor meinem Haus und richte mich auf. Ein paar Meter vor mir sehe ich den Gegenstand mit dem ich getroffen wurde. Es sieht aus wie ein… Keks. Und er dampft noch.

Jetzt tritt jemand in den Lichtkegel. Ich sehe zuerst nur die Schuhe und seine Hose, als er sich nach dem Keks bückt, ihn aufhebt und dann ein leises Schmatzen von sich hören lässt.

„Hmm, Siggi. Die sind mal wieder richtig gut. Sie als Munition zu benutzen ist doch wirklich zu schade.“

Er bewegt sich weiter auf mich zu. Und rückt sich dabei seine Hose zurecht. Sie sitzt über seinem Bauchnabel, was ich normalerweise sicher belustigend gefunden hätte. Ich schätze die Situation aber gerade als zu unpassend ein, um mich darüber lustig zu machen.

„Anneliese schickt uns.“

Er kommt noch näher, zieht an seiner Zigarette und haucht mir ins Gesicht. Er riecht nach Marihuana. Der Rauch treibt mir die Tränen in die Augen. Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich wieder klar sehen kann. Und als ich es kann… bin ich überrascht. Aber leider nicht weniger beängstigt.

„Oh mein Gott. Sie sind ja. Sie sind ja alt. Richtig alt. Sie könnten mein Vater sein. Wie konnten Sie so schnell…“

Sein schrilles Lachen unterbricht mich. Dann fängt er wieder an zu husten. Schließlich ein kurzes Räuspern.

„Ich bin so alt, dass ich deinem Papa wahrscheinlich auch schon in den Arsch getreten hab.“
„Was wollen Sie?“
„Was denkst du denn? Glaubst du etwa, du kommst ungestraft davon, wenn du einem von uns in der Bahn keinen Platz anbietest!?“
„Aber ich…“
„KEIN ABER!“

Er spuckt mir Kekskrümel ins Gesicht.

„Lass dich hier nie wieder blicken Junge!“

Jetzt tritt der Zweite in den Lichtkegel. Er stützt sich lässig auf seinen Rolator, an dem ein paar geklaute Mercedes-Sterne und ein Fuchsschwanz baumeln.

„Komm Hartmut, der Junge hat seine Lektion gelernt. Lass uns lieber verschwinden, bevor die Bullen kommen.“

Hartmut hat seine Augen noch immer starr auf mich gerichtet, als ich mir die Krümel von der Wange wische. Er zischt mich an: „Ich hoffe, du hast deine Lektion gelernt, Bursche. Denn beim nächsten Mal sind wir nicht so gnädig.“

Dann dreht er sich um und setzt sich auf den Rolator seines Begleiters, der sogleich den Motor startet. Mit aufheulendem Motorengeräusch machen sie sich aus dem Staub. Geschockt bleibe ich noch eine Weile auf der Straße sitzen, bis ich schließlich reingehe und eine heiße Dusche nehme. Ich beschließe, dass es wohl besser ist, mit dieser Geschichte nicht zur Polizei zu gehen.

Obwohl die Typen echt gemeingefährlich waren. Aber der Rolator war schon geil.