Samstag, 8. August 2009

The Waterbomb Incident



Der Mann, den ich durch den Türspion meiner Wohnung sehe, sieht wütend aus. Ich weiß, warum er hier ist und suche schon mal nach einer Ausrede. Ich öffne ihm die Tür und er schaut mich an. Er ist ungefähr doppelt so breit wie ich und hielt es anscheinend nicht für nötig, sich für seinen kleinen Besuch ein Shirt anzuziehen. Er ist Mitte 40 und seine rechte Schulter ziert ein großes Tribal-Tattoo. Ich habe ein wenig Angst.

„Morgen.“

Er riecht nach Whiskey und hat eine überaus raue Stimme.

„Guten Morgen.“
„Du weißt warum ich hier bin, oder?“

Ich überlege kurz, ob ich mich dumm und unwissend stellen soll, denke dann aber an meine miserablen schauspielerischen Fähigkeiten und entscheide mich dagegen. Er sieht nicht aus, als wäre mit ihm zu spaßen. Vielleicht hätte ich vor dem Öffnen der Tür meine Brille absetzen sollen. Dafür ist es jetzt auch zu spät.

„Ähm, wegen den Wasserbomben schätze ich?!“

Meine Mitbewohner sind schon seit ein paar Tagen weg und mein Bruder ist erst vor ein paar Minuten wieder gefahren. Als er gestern hier ankam, hielt er es für eine gute Idee, mir Wasserbomben zu schenken. Er und meine Bandkollegen, die ebenfalls zu Besuch waren, hatten aber sichtlich mehr Spaß damit. Und so kam es, dass sich alle nach ein paar gemütlichen Bieren auf dem Balkon versammelten, um von dort aus die Autos zu bewerfen, die unten an der Ampel warteten.

Mein Nachbar fand das anscheinend nicht so knorke…

„Junge, du wohnst hier im 6. Stock. So Wasserbomben können ganz schön an Fahrt gewinnen, wenn man die aus so einer Höhe wirft. Ist dir eigentlich klar, was das für Beulen geben kann? Ich schau gleich nach, ob mein Auto irgendwas abgekriegt hat. Und sollte das der Fall sein, dann hoffe ich für dich, dass du deine Brille abgenommen hast.“

Aha, also doch...

Nach kurzem Überlegen nehme ich die Standardausrede, die auch bei meinen Eltern immer schon funktioniert hat: „Äh, das war ich nicht“ und schiebe noch ein leises „sorry“ hinterher.

Er schaut mich ungläubig an: „Aber du wohnst doch hier, oder?“
„Ja schon, aber ich hatte gestern Besuch. Von meinem kleinen Bruder, wissen sie?“

Damit leite ich eine Serie von Lügen ein, mit der ich Versuche, mich in eine weiße Weste zu zwängen. Ich erzähle ihm, dass mein 10 jähriger Bruder zu Besuch war und die Wasserbomben in einem Anflug von –in dem Alter ja schließlich üblichem- infantilem Leichtsinn vom Balkon geschmissen hat.

„Da war ich aber grad einkaufen.“ Sicher, um halb 11.

„Als ich zurückgekommen bin, hab ich ihm natürlich sofort gesagt, er solle damit aufhören.“ Äh, klar doch.

Auf seine Frage, warum denn dann heute morgen noch Wasserbomben geflogen sind, folgt ein kurzes, aber unangenehmes Schweigen. Ich überlege kurz, ihm einfach die Tür vor die Nase zu knallen.

„Äh, naja, Kinder halt…“ antworte ich und schaue ihn mit dem ehrlichsten aufgesetzten Blick an, den ich gerade aufbringen kann. Er schaut mich noch eine Weile grimmig an und macht die Situation dadurch nicht gerade angenehmer. Ich überlege, ob ich ihm als kleines Freundschaftsangebot ein Bier anbieten soll, erinner mich dann aber an die vielen leeren Flaschen, die noch in der Bude rumstehen und dass die meinem Mein-kleiner-Bruder-war-zu-Besuch-Alibi schaden könnten.

Nach einer Weile streckt er die Hand aus –ich zucke kurz zusammen- und sagt: „Naja, ist ja nichts passiert. Ich bin Harri, wohne schräg unter euch.“ Schräg ist der Typ auf jeden Fall, das stimmt. „Komm doch mal auf n Bier vorbei.“ Damit verabschiedet er sich und verschwindet im Treppenhaus.

Ich schließe die Tür hinter mir und bin wieder mal erstaunt über mein schauspielerisches Talent. Scheint ja doch nicht so schlecht zu sein.


3 Kommentare:

  1. Du Blogette :D

    Wir wollen hier keine Romane lesen, sondern nur Outfit-Posts, ist das klar?! ;)

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  2. Stark hehe! Wusste gar nicht dass du eine kleine Schwester hast! ^^ hö?

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  3. Ich war dabei und dein Blog ist jetzt in meinen RSS Feeds. Nicer Shice! Ahh, wie witzig das gewesen wäre, wenn die Typen hochgekommen wären, die wir beworfen haben^^ Gruesse Ali

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