Dienstag, 15. September 2009

I Don't Need A Doctor...



„Herr Schmitz bitte? Herr Schmitz!?”

“Ich muss auflegen, ich bin jetzt dran… was?... ja, wie auch immer… machs gut.“

Die Praxishelferin schaut mich ein wenig misstrauisch an bevor sie mir den Raum zeigt, in dem ich warten soll. An der Wand hängt eine große Leinwand mit einem schönen alten grünen Caddilac. Bevor ich den Rest des Beratungszimmers in Ruhe betrachten kann, kommt der Arzt ins Besprechungszimmer.

„Herr Schmitz, nehme ich an?“
„Ja richtig, Doktor Meisner?“

Er sieht mich einen Moment schweigend an. Schließlich fragt er:
„Woher wissen Sie das?“

Ich bin verwirrt.

„Äh, von Ihrem Türschild? Und von meinem Hausarzt, der mich an Sie verwiesen hat?!“

Er schweigt noch eine Weile. „Ja richtig. Ich bin Doktor Meisner.“

Schweigen. So langsam frage ich mich, ob ich hier wirklich richtig bin.

„Was fehlt Ihnen denn, Herr Schmitz?“

„Naja, eigentlich nichts, ich muss nur meine Haut mal untersuchen lassen. Muttermale und so… Sie wissen schon. Das übliche halt.“

„Verstehe, dann machen Sie sich doch bitte frei…“

Ich habe gerade meinen Pullover ausgezogen, da fängt Doktor Meisner an wie ein kleines Mädchen zu kichern. Er weist mich auf die Schweißränder an meinem Shirt hin und fragt, ob ich nervös sei.

Ich überlege, ob ich mal wieder meine unglaublich überzeugenden Schauspielkünste auspacken soll (1. Ich bin mit dem Rad hierher gefahren, 2. Banküberfall, 3. Ihre Klimaanlage im Warteraum funktioniert nicht, sie Arsch…), als mir einfällt, dass Doktor Meisner ein sehr gebildeter Mann sein muss. Schließlich hat er Medizin studiert. Ich entscheide mich für die Wahrheit:

„Ich hab gerade mit meiner Ex telefoniert.“
„Oh, verstehe. Wie lange ist Schluss?“
„2 Wochen.“
„Wer hat’s beendet?“
„Beide.“

Er betrachtet mich kurz. „Ihren Schweißrändern entnehme ich, dass da noch immer Gefühle im Raum sind.“ Pause. „Und Ihrem Schweigen entnehme ich, dass ich recht habe.“

Wow. Der ist echt gut. Ich frage mich wieder, ob ich hier richtig bin, oder ob Doktor Meisner nicht in Wirklichkeit Psychologe ist. Er fragt mich, ob ich glaube, dass noch einmal was draus wird.

„Naja, sie hat ziemlich tiefe Wunden bei mir hinterlassen...“

„Nicht so tief, wie die Wunden, die ich hinterlasse, wenn ich mit den Leberflecken auf Ihrem Rücken fertig bin, hahaha!“

Der Mediziner fängt lauthals an zu lachen, dann muss er husten und sich räuspern, um wieder ernst zu werden. Er gibt mir zu verstehen, dass ich mich weiter ausziehen soll. Als ich schließlich nackt vor ihm stehe, verschwindet das Lächeln auf seinem Gesicht wieder.

„Aber mal im Ernst, Wunden sind zum Heilen da. Und ich weiß wovon ich rede. Ich bin schließlich Arzt.“

Während er so erzählt, dreht er mich ein paar mal im Kreis und nimmt mich dabei unter die Lupe. Weil mir die Sache irgendwie unangenehm ist, lasse ich ihn weiter erzählen.

„Frauen sind so eine Sache für sich. Immer wenn man denkt, dass man sie verstanden hat, beweisen Sie Ihnen das Gegenteil.“

Als er schließlich fertig ist, ziehe ich mich wieder an und frage Ihn, was zu tun sei.

„Naja, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin ja schließlich kein Psychologe, sondern Dermatologe.“ Er lacht.

Und zum ersten mal bin ich mir sicher, dass ich hier doch richtig bin.

„Aber wenn sie mich fragen, sollten sie versuchen, was zu versuchen ist. Wissen sie, die Frage ist nicht, ob wir an die wahre Liebe glauben, sondern ob sie an uns glaubt...“

Bevor er weiter ins Philosophische abdriftet, unterbreche ich ihn. „Doktor Meisner. Ich meinte nicht, was wegen ihr zu tun sei, sondern wegen mir. Die Muttermale? Operieren?“

„Äh, ach ja. Fünf davon sehen nicht gut aus. Die müssen ganz schnell weg. Lassen Sie sich vorne einen Termin geben.“

Ich ziehe meine Socken und Schuhe wieder an und bedanke mich bei ihm für seine Beratung für Kopf und Körper. Ich überlege kurz, ob ich ihm sagen sollte, dass er auch einen guten Psychologen abgegeben hätte. Aber ich weiß ja nicht, ob das nicht vielleicht immer schon sein Traum war, und er es einfach nie gepackt hat und deswegen Hautarzt geworden ist. Aber immerhin ist er Spezialist für Geschlechtskrankheiten. Doch ich weiß nicht, ob es ihn trösten würde, ihm das noch mal vor Augen zu halten.

Ich mache den ersten möglichen Termin – Mitte Dezember – und verlasse die Praxis.

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